Weltrekord 2007 Bericht
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Hallo Welt!

Seit Anfang Februar 2007 testeten die SNCF und Alstom auf der noch nicht in Betrieb gegangenen Neubaustrecke im Nordosten Frankreichs mit einem umgebauten TGV-POS Schnellfahrten. Mitte Februar wurden hier bereits 553 km/h erreicht. Am 03. April 2007 sollte, entsprechendes Wetter vorausgesetzt, die endgültige Rekordfahrt stattfinden.
Das wollte ich natürlich miterleben.


(C) Michael Baier, Nikon D200, 200 ASA...


Der 3. April 2007


3:45

der Wecker klingelt gnadenlos.
Es ist noch rabenschwarze Nacht.

STOP.

So fing doch die Geschichte mit der Sonnenfinsternis an.
Aber diese auch. Nur, dass es nicht regnet.

ca 5:30

Nachdem ich mich mit meinem Navi bei einer ungewollten Tour durch Köln-Bonner Vororte doch noch angefreundet habe, bin ich ohne weitere Zwischenfälle an der Rennstrecke in der tiefsten französischen Provinz angekommen.

Der präzisen email-Beschreibung eines sehr netten Franzosen folgend fand ich eine Brücke bei dem ziemlich verschlafenen Nest Briseaux in der Argonne. Wenn hier nicht die Neubaustrecke wäre, könnte man meinen die Zeit wäre einfach vor vielen Jahren stehen geblieben. Aber hinter den Wiesen entdeckt man lange Reihen Masten und Drähte, die sich bei näherem Ansehen als eben die TGV-Strecke entpuppen. Verglichen mit der deutschen Neubaustrecke durch den Westerwald eine Berg- und Talbahn.

Auf der Brücke standen zum Zeitpunkt meiner Ankunft mehr Gendarmen als Zuschauer - was sich allerdings bis Mittags drastisch änderte.

9:34

Direkt nach dem Aussteigen, kaum an die Kälte gewöhnt und die Kamera noch nicht ausgepackt, bricht plötzlich Hektik aus:

TGV 4402 fährt zum Startpunkt.

(C) Michael Baier, D200...

Ich stehe zwar auf der lichttechnisch falschen Seite, aber besser als nix.

Der Zug wurde extra für die Rekordfahrten umgebaut. Er besteht aus zwei angetriebenen Triebköpfen des zukünftigen TGV-POS und drei Doppelstock-Mittelwagen mit zwei weiteren Antriebsdrehgestellen, wie sie im zukünftigen AGV von Alstom verwendet werden.
Damit erreicht der leicht übermotorisierte Triebzug eine Leistung von 19,6 MW.
Das entspricht über 26600 PS bei einem Zuggewicht von 268 Tonnen und einer Gesamtlänge von 106m, verteilt auf zwölf von sechzehn Achsen.
Der Zug war Ende März mit Folien beklebt worden.

Mitten auf der Brücke steht eine ausgewachsene Filmkamera - und zwar die, die später die Rekordfahrt bei km 198 frontal filmt.
Für die SNCF.
Also so falsch kann der Standort nicht sein...

10:30

Nach einer Stunde frierens und stummen rumstehens - ich habe alle meine Schul-Französisch-Kenntnisse verdrängt, wer ahnt denn, dass man sowas mal wirklich braucht - habe ich dann tatsächlich noch zwei Deutsche gefunden.
Aus Augsburg.
Noch weiter weg als ich.
Wie verrückt muss man eigentlich sein,...
Aber da waren auch Franzosen aus Toulouse, noch 200 km weiter weg, die sind nur nicht so aufgefallen.

11:48

Der Vorzug kommt 'angeschlichen'.
Mit vielleicht 330 km/h.
Ab Juli hier Alltag, aber auf dem anderen Gleis. Im Norden Frankreich wird links gefahren.
Für die Rekordfahrt ist nur das Gleis Richtung Metz angepasst worden.

Auffällig die höhergelegten Triebköpfe.
Durch die größeren Räder läßt sich der Zug problemlos mit dem v150 kuppeln. Der hat nämlich auch 172mm größere Räder bekommen, da die Drehzahl der Motoren begrenzt ist.


(C) Michael Baier, D200...

12:00

Langsam steigt die Nervosität, die Zuschauer werden deutlich mehr.
Die Brücke wird, wie alle Brücken im Rekordabschnitt, gesperrt.
Berechnungen über die mögliche Anzahl an Fotos des Zuges zwischen zwei Masten machen die Runde zwischen den Fotografen.
Mit nur einem Ergebnis:

Ein Versuch - ein Schuss - ein Bild.

Ungewohnte Herausforderungen:
Selbst bei theoretischen 5 Bildern/Sekunde fährt der Zug zwischen zwei Fotos schon mindestens 30m weiter, also möglicherweise genau hinter einen Masten.

Gegen 13 Uhr dann die ersten Unterhaltungen über die Funkgeräte der zahlreichen Kameraleute, Security-Mitarbeiter und Gendarmen.

13:05

Ein beide Sprachen sprechender und verstehender Student übersetzt:
unterwegs,
515,
530,
560.

Selbst die bisher unentwegt quasselnden Franzosen werden ruhiger, mitgebrachte Kinder hören auf mit Holzstöcken auf den Teer einzuschlagen.

13:12

Der begleitende Düsenflieger taucht am Horizont auf.
Der Zug auch.

5 viel zu kurze Sekunden Hektik.

Mit einem Knall und in einer Staubwolke verschwindet v150 unter der Brücke.
Das Rumdrehen zum Hinterhergucken dauert länger als der Zug braucht, um über die Kuppe in einer Staubwolke zu verschwinden.
Und die Staubwolke sieht man länger als den Zug.

Der schnellste Zug, den ich jemals fotografiert habe.
Über 26.000 PS an 31 kV,
268 Tonnen, 106m,
569,4 km/h (an der Fotostelle)
das sind über 158 Meter in der Sekunde!


(C) Michael Baier, D200...

TopSpeed wenige hundert Meter weiter wird um 13:13:41 Uhr 574,8 km/h sein.

Die japanische Magnetbahn kommt noch ein paar Zentimeter weiter innerhalb einer Sekunde.
Aber die hat auch keine Räder.

Bremsweg des v150 anschließend: 15 km.

Die Brücke bleibt noch fast 15 Minuten gesperrt.
Und dann gehts wieder nach Hause, nach Siegen, wo im Schuppen eine Dampflok steht, die am vergangenen Samstag das erste Mal nach 30 Monaten wieder angeheizt wurde.
Gegensätzlicher kann es gar nicht sein.


mb


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